Montag, 30. Juni 2008

Lieber Mister Gott!

Auszug aus dem Buch "Anna schreibt an Mister Gott"
(Mister God, this is Anna)



Lieber Mister Gott!
Heut hab ich zu Fynn gesagt, dass ich ein bisschen wie Mister Gott bin, und da hat er gemeint, so was sagt man nicht, weil es eingebildet klingt, und Du magst keine eingebildeten Leute. Und überhaupt, wie kommst du bloß auf so ein Käse, hat er gefragt. Und ich hab gesagt, da bist du selber schuld dran. Weil du so oft sagst: Warum kommst du nicht gleich, wenn man dich ruft? Das hab ich so von Mister Gott gelernt. Der kommt auch nicht auf Kommando. Stimmt doch - oder?
Manchmal denkst du halt über was anderes nach, dann muss ich eben warten. Und ich bin auch manchmal in Gedanken woanders und hör Fynn nicht rufen, weil ich, wenn ich ganz woanders bin, nur nach innen hör und nicht nach außen. Oder ich red grad mit Dir. Dann muss Fynn halt ein bisschen warten, denn Du kommst ja zuerst.
Wenn Du aber mal nach mir rufen würdest, da würd ich mich nicht erst dreimal bitten lassen, kannste Gift drauf nehmen. Ich käm angeschossen wie der Blitz. Hier bin ich, Mister Gott, würd ich sagen. Was kann ich für dich tun?
Aber Fynn hat schon wieder gesagt, so ein Käse, man kann nichts für Dich tun. Du kannst nur was für uns tun. Weil, Du hast alles, was Du brachst. Nur uns fehlt es hinten und vorn. Hab ich aber Fynn nicht geglaubt, dass ich dir nicht irgendwie mal helfen kann. Ich mein ja nicht, Kohlen raufholen oder so. Ich hab zu Fynn gesagt: Wetten, dass Mister Gott uns braucht, dich und mich und alle Menschen? Weil - ohne die Menschen wär es doch furchtbar langweilig für ihn. Das wär wie ein Vater ohne Kinder. Wofür geht der überhaupt zur Arbeit? Oder wie du ohne ich, da hätten wir doch beide nichts von, hab ich zu Fynn gesagt. Und er hat gebrummt: Da hast du mal wieder recht.
Lieber Mister Gott, jetzt muss ich noch was fragen: Kannst Du mir morgen vielleicht beim Rechnen helfen? Wir kriegen nämlich Noten. Oder Du könntest mir in der Nacht einen Husten anwehen. Aber einen richtigen, echten. Dann kann ich morgen im Bett bleiben. Fynn sagt, aus Angst vor Mrs. Cook ihre Noten brauchst du dir nicht in die Hosen machen, Fratz. Die Noten, die dir Mister Gott mal gibt sind viel wichtiger als die von der alten Schachtel.
Lieber Mister Gott, ich wüsste gern, ob ich mal gute Noten bei dir kriege, wenn Du Zeugnise verteilst. Du lässt mich doch bestimmt nicht sitzen, oder?

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Diese gedankentiefen und zwartempfundenen Briefe der kleinen Anna an Mister Gott gleichen immer wieder einem reinigenden Gewitter für Menschen, denen die Liebe abhanden gekommen und denen vor lauter Alltag der `Draht nach oben` gerissen ist...

www.sabuvarghese.com hat gesagt…

Wunderbar